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Die Sicht des CIO

Dominoeffekt: Überall höhere Zinsen

  • 04 Februar 2022 (7 Minuten Lesezeit)

  • Der von der Federal Reserve (Fed) ausgelöste Dominoeffekt könnte sogar zu steigenden Zinsen in Europa führen und in Japan die Frage aufwerfen, ob die endlose geldpolitische Großzügigkeit noch angemessen ist.
  • Die Märkte reagieren darauf mit höheren Marktzinsen und -renditen, höheren Risikoprämien bei Unternehmensanleihen und einer Abwertung an den Aktienmärkten.
  • Doch auch wenn der Put der Fed ausgelaufen ist, werden die Zentralbanken die Gefahren für das Wirtschaftswachstum im Auge behalten.
  • Ein Höchststand der Inflation und niedrigere Energiepreise im Frühjahr könnten die Aussichten für die Marktrenditen wieder positiver gestalten.

Abwertung der Aktienmärkte

Der Januar 2022 war erst der fünfte Monat seit 2012, in dem alle beobachteten 13 Total-Return-Anleiheindizes eine negative Rendite aufwiesen. Für alle diese Indizes gab es noch nie zwei aufeinanderfolgende negative Monate. Das könnte eine gute Nachricht sein, denn wenn dies der Fall war, schnitten Anleihen mit längerer Laufzeit in der Regel im Folgemonat gut ab. Doch heute könnte es anders aussehen. Ging es im Januar noch darum, zu antizipieren, wie restriktiv die US-Notenbank Fed sein würde, so scheint im Februar die Frage zu sein, ob die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England (BoE) ihre Unterstützung ebenfalls zurückziehen. Soweit es die Aktienmärkte betrifft, liegt der Nasdaq Composite nun 13,5 Prozent unter seinem Höchststand, während die breiteren Märkte zwischen 5,8 Prozent für den EuroStoxx und 11,2 Prozent für den Nikkei nachgaben. Das steht im Einklang mit zwei Faktoren: Erstens neigen Aktienmärkte dazu, eine Abwertung zu durchlaufen, wenn die Zinsen steigen, und zweitens führt die Straffung der Geldpolitik zu größerer Unsicherheit über die Entwicklung von Wachstum und Erträgen.

Der langfristige Ausblick

Die gute Nachricht für Anleger ist, dass die Renditen während eines Straffungszyklus in der Regel positiv sind. Die Aktienmärkte sind in der Zeit zwischen dem Tiefpunkt und dem Höchststand der Fed Funds Rate in jedem Zyklus seit den frühen 1970er Jahren gestiegen, mit Ausnahme von 1973 bis 1974, als die Weltwirtschaft von der Ölkrise getroffen wurde. Üblicherweise gehen die Ratings zurück, die Erträge erholen sich jedoch im Laufe des Zyklus, was insgesamt zu einer positiven Aktienperformance führt. Natürlich sind nicht alle Zyklen gleich. Typischerweise kommt es zum Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung, wenn die Zentralbanken am restriktivsten sind, recht schnell zu den größten Rückgängen gegenüber dem Marktniveau. Wenn die Zyklen jedoch lang sind und zu einer aggressiven Verlangsamung der wirtschaftlichen Wachstumsaussichten führen, kann sich die Performance der Aktienmärkte wieder abschwächen. Dies war von 2015 bis 2018 der Fall, als die Kombination aus höheren US-Zinsen und Sorgen um den Handel die Märkte traf.

Umkehr des Covid-bedingten Anstiegs der Multiples

Eine defensive Haltung gegenüber Aktien sollte bereits vorhanden sein. Geldpolitische Zyklen führen zu Abwertungen, was die Performance der Märkte im Vorfeld beeinträchtigt. In den vergangenen beiden Zyklen verzeichneten der Nasdaq, sowie Japan, US-Small-Caps und China die stärksten Rückgänge gegenüber den Niveaus zum Zeitpunkt der ersten Anhebung. Die Märkte, die sich besser halten konnten, waren Großbritannien und Value-Titel. Dennoch tendieren die USA im Laufe des Zyklus dazu, besser abzuschneiden – wahrscheinlich, weil in den USA der Zinshöchststand und die nachfolgende Zinssenkung zuerst erwartet werden. Betrachtet man heute das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Zwölf-Monats-Prognosen für den Gewinn pro Aktie, so sind die US-Märkte am teuersten. Beim Nasdaq beträgt die Standardabweichung zum langfristigen Durchschnitt 1,6 und beim S&P 500 sind es 1,3. Am günstigsten und wohl auch am wenigsten von einer globalen Abwertung bedroht sind China, Großbritannien und Japan, während Europa nahe seines langfristigen Durchschnitts fair bewertet ist. Die massiven pandemiebedingten Liquiditätsspritzen und fiskalischen Anreize haben die KGVs von US-Aktien um mehrere Punkte nach oben getrieben. Die Rückführung dieser Ausweitung ist das Hauptthema, wenn die Fed normalisiert.

Was macht die EZB?

Der kurzfristige Ausblick ist schwierig, da der Markt nun davon ausgeht, dass die EZB irgendwann 2022 ins Spiel kommt. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat die Haltung der EZB nicht besonders gut kommuniziert, und der Markt ist zu der Ansicht gelangt, dass die Zinsen noch in diesem Jahr erhöht werden könnten. Die Meinungen über den Zeitpunkt des ersten Schrittes gehen weit auseinander. Zudem gibt es Zweifel unter den Ökonomen, dass die EZB überhaupt eine Zinserhöhung in Erwägung zieht. Aber warum nicht? Die Zinsen sind negativ und müssen es eigentlich nicht mehr sein, vor allem da die Inflation in Europa weit über der EZB-Zielmarke liegt. Die Wechselkurse sind und sollten für die Entscheidungen der Zentralbank nicht so wichtig sein. Aber die jüngste Schwäche des Euro in Verbindung mit höheren Energiepreisen wird die Falken in ihrer Argumentation für eine Straffung der Geldpolitik bestärkt haben.   

Bank of England dreht an der Zinsschraube

In England erhöhte die Zentralbank ihren Leitzins auf 0,5 Prozent, an dem Tag, an dem bekannt wurde, dass die inländische Energierechnung für die meisten Haushalte um über 50 Prozent zulegen könnte. Zugleich werden die Beiträge für die Sozialversicherung im April steigen, was den Druck auf die Haushaltseinkommen noch verstärkt. In der Zwischenzeit könnten das Pfund Sterling und britische Aktien mit kleiner und mittlerer Marktkapitalisierung irgendwann unter Druck geraten. Die BoE deutete an, dass die Inflation ab der zweiten Jahreshälfte schnell sinken wird – obwohl sie nicht zugab, dass dies auf das Risiko zurückzuführen sein könnte, dass Großbritannien früher als jede andere G7-Wirtschaft in eine Rezession gerät.

Vor uns liegt ein harter Weg

Die Straffung der Zentralbanken in den Industrieländern und das Fehlen einer echten politischen Führung machen das Investieren schwierig. Meine „erwarteten“ Eckpunkte sind eine Rendite für Zehnjährige Treasuries von 2,5 Prozent (die realen Renditen gehen gegen Null und die Inflation ist mit 2,25 bis 2,5 Prozent eingepreist), ein S&P 500, der die 4.000er-Marke berührt (mit dem Risiko, dass es noch weiter nach unten geht), da eine Korrektur um 20 Prozent von den Rekordhochs aus zu erwarten ist, und Wachstumsaktien, die weiter unter ihren vermeintlichen ‚Long-Duration‘-Merkmalen leiden. Das bedeutet möglicherweise, dass der Nasdaq unter 13.000 Punkten notiert. Ganz zu schweigen von den fundamentalen Auswirkungen auf die Aktienperformance und die Erträge, die sich durch den möglichen Druck auf die Margen ergeben, wenn die Inflationswelle in diesem Jahr durch die Weltwirtschaft rollt.

Ausschau nach den Wendepunkten

Wenn man nicht ‚short‘ gehen möchte, müssen sich die Anleger darauf konzentrieren, wo die Abwärtsrisiken geringer sind und was passieren muss, damit es zu einer Trendwende kommt. Auf der Aktienseite ist das Abwertungsrisiko in Märkten wie Großbritannien, Europa und Japan im Vergleich zu den USA am geringsten. Value-Strategien dürften weiter besser abschneiden, was jedoch von einer Verringerung der Gewinnmargen im Industriebereich und einem möglichen Höhepunkt des Energiezyklus abhängt. Auf der Anleiheseite steigen die kurzfristigen Zinsen, was zu höheren Anleiherenditen führen dürfte, selbst wenn die Kurven flacher werden. Folglich ist das Abwärtsrisiko für die Gesamtrendite bei Strategien mit kurzer Duration begrenzter. Wir bevorzugen nach wie vor Hochzins- und Unternehmensanleihen mit kurzer Laufzeit, da die Fundamentaldaten immer noch relativ gut sind. Jedoch haben sich im Credit-Bereich in der vergangenen Woche mit der Ausweitung der Spreads leichte Risse gezeigt und es besteht die Gefahr, dass die Volatilität an den Aktienmärkten diese Entwicklung noch verlängert. Die Änderung der Haltung der EZB ist hier entscheidend. Wenn die Märkte das Gefühl bekommen, dass auch in Europa die quantitativen Lockerungen (Quantitative Easing, QE) zu Ende sind, dann besteht das offensichtliche Risiko, dass sich ausgeweitete Staatsanleihe-Spreads auf die Spreads der Banken und das Vertrauen in den breiten Unternehmensanleihemarkt auswirken. Eine Ausweitung der Investment-Grade-Spreads um 60 bis 100 Basispunkte ist während des Straffungszyklus wahrscheinlich. Bei Hochzinsanleihen könnte es je nach Wachstums- und impliziten Ausfallprognosen zu einer stärkeren Ausweitung kommen. Das bedeutet aber auch, dass sich irgendwann gute Kaufgelegenheiten im Credit-Bereich ergeben werden.

Gibt es eine Chance auf ein ruhigeres Jahr?

Die Märkte werden sich irgendwann an die Straffung gewöhnen. In den meisten Zyklen liefern sowohl Anleihen als auch Aktien positive Renditen, wobei die Volatilität höher sein wird. Der mittelfristige Ausblick, also bis ins Jahr 2023 hinein, hängt davon ab, was mit den Wachstumserwartungen und den Unternehmensgewinnen geschieht. Bislang reichen die zu erwartenden Zinserhöhungen wahrscheinlich nicht aus, um einen größeren Wachstumseinbruch auszulösen. Selbst wenn die Märkte nervöser werden, sind die eingepreisten endgültigen Zinssätze im historischen Vergleich niedrig. Jedoch werden die Korrekturen der Wachstums- und Gewinnprognosen in den kommenden Monaten entscheidend sein. Bislang halten sie sich gut. Kurzfristig ist ein Höchststand der Inflation im ersten Quartal unabdingbar, ebenso wie eine gewisse Umkehr der Energiepreise.

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