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Die Sicht des CIO

Das dicke Ende?

  • 24 März 2023 (5 Minuten Lesezeit)

2023 ist nicht 2008. Aber das Vertrauen in die Banken ist erschüttert, und Investoren haben viel verloren, mit Aktien wie mit Credits. Vielleicht drohen weitere Probleme, weil Anleger Banktitel verkaufen und um ihre Einlagen fürchten. Ausserdem kann die Kreditqualität leiden. So drohen auch im Immobiliensektor Verluste, und viele Banken nehmen Wertberichtigungen auf ihre Kreditbücher vor. Am Anleihenmarkt scheint man sich sicher zu sein, was jetzt kommt: Zinssenkungen. In diesem Fall würde man mit Anleihen mehr verdienen als am Geldmarkt.

Zusammenbrüche

Banken brechen zusammen, weil ihre Verluste das Kapital übersteigen, sie Auszahlungswünsche nicht bedienen können, es an Kunden mangelt oder weil sie wegen des schwindenden Vertrauens ihrer Gegenparteien nicht wie gewohnt weiterarbeiten können. Wer eine Bank und ihre Kreditwürdigkeit bewerten will, muss über all dies sehr gut Bescheid wissen. Doch wie sich gerade gezeigt hat, kann sich die Lage schnell ändern. In der Welt der Onlinetransaktionen können Guthaben ex­trem schnell aufgelöst werden – und zwar schneller, als die Banken Aktiva verkaufen können. Für Investoren kommt es jetzt darauf an, ob aus einem systemischen Zinsschock ein Kreditschock wird. Dann muss man bei der Bewertung von Banken zusätzliche realisierte und nicht realisierte Kreditausfälle und Wertpapierverluste berücksichtigen. Hinzu kommen höhere Finanzierungskosten, um den Abfluss von Einlagen zu verhindern, und Rückstellungen für den Fall weiterer Kreditausfälle, falls die strafferen Kreditbedingungen der Konjunktur schaden. Am Ende könnten Bankaktien und Bankanleihen weit schwächer sein als der Markt.

Vertrauen

In einer Bankenkrise kommt es auf die Politik an. Aufsichtsbehörden und Regierungen können Bankeinlagen garantieren. Sie können grosszügig Aktiva als Sicherheiten akzeptieren und neue Kreditfazilitäten einführen, damit die Banken liquide bleiben. Doch es gibt ein Problem: Um alle Bankguthaben zu garantieren, reichen die derzeitigen Einlagensicherungsfonds – wie die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) in den USA – nicht aus. Ende Februar betrugen die Einlagen bei amerikanischen Geschäftsbanken laut Fed 17,5 Billionen US-Dollar. Bei Kreditausfällen wie 2008 wird es auch schwierig, Bankaktiva zu einem Wert über dem Marktpreis als Sicherheiten zu akzeptieren. Wenn die Aktiva US-Staatsanleihen oder andere ähnlich hochwertige Titel sind, die zu pari zurückgezahlt werden, könnten die Notenbanken sie aber vorübergehend oder dauerhaft gegen Liquidität eintauschen, also in ihre eigenen Bilanzen nehmen. Sollte aber die Solvenz des gesamten Bankensystems durch Kreditausfälle bedroht sein, ist die Fiskalpolitik gefragt. Im Rahmen des Troubled Assets Relief Program (TARP) konnte das US-Finanzministerium im Jahr 2008 Banken illiquide Aktiva abkaufen, damit sie keine weiteren Verluste anhäufen. Das hat die Märkte und das Bankensystem damals stabilisiert. Aber das geschah mit Steuergeldern, und es glich auch nicht die Verluste aus, die bei den Banken bereits angefallen waren.

Liquiditätshilfen, keine Finanzhilfen

Wie gesagt, heute ist nicht 2008. Aber jede Krise ist anders. Seit der internationalen Finanzkrise sind amerikanische Grossbanken streng reguliert, und ihre Kernkapitalquoten haben sich verdoppelt. Jährlich wird mittels Stresstests geprüft, ob das Kapital auch in Negativszenarien wie Rezessionen mit steigender Arbeitslosigkeit oder bei einem Immobilienpreisverfall ausreicht. Das Problem ist aber, dass kleinere Banken nicht den gleichen Stresstests unterzogen werden. Ausserdem wurde nie geprüft, was bei steigenden Zinsen geschieht. Interessanterweise hat der letzte Quarterly Banking Review der FDIC das Problem nicht realisierter Verluste sowohl bei kurzfristigen Handelsportfolios als auch bei langfristigen Anlageportfolios (620 Milliarden US-Dollar im 4. Quartal 2022) erkannt. Natürlich können solche Verluste die Kapitalbasis der Regionalbanken weiter schwächen, vor allem, wenn noch weitere Einlagen abgezogen werden.

Die Fed ist nicht machtlos

Ich zweifle am politischen Willen in den USA, die Banken mit Staatshilfen zu unterstützen. Aller Augen sind daher auf Fed und FDIC gerichtet, aber auch auf andere Institutionen, die zurzeit Liquidität bereitstellen. Bevor also der Staat eingreifen muss, dürfte die Fed alles in ihrer Macht Stehende tun. Dazu zählen auch Zinssenkungen und ein Ende des Quantitative Tightening. Ansatzweise wurde es schon wieder rückgängig gemacht, als liquiditätsschwache Banken im März 2023 Wertpapiere an die Notenbank abgeben konnten.

Schwächere Fundamentaldaten

Vielleicht kommt es aber auch weniger schlimm, zumal die Buchverluste der Anleihenportfolios der Banken nach dem jüngsten Zinsrückgang nicht mehr ganz so hoch sind. Aber es werden noch immer Bankguthaben aufgelöst, und zwar so lange, wie die Kreditbedingungen straffer werden. Weitere Regionalbanken könnten dann Probleme bekommen. Das hat wiederum Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft sowie kleinere und mittlere Unternehmen. Eine Rezession in den USA wird also wahrscheinlicher. Wir erleben einen Teufelskreis: Rezessionen führten immer zu Kreditausfällen, die wiederum den Banken geschadet haben. Geldmarktfonds und US-Staatsanleihen bieten unterdessen weiter hohe Renditen, weil die Fed den Leitzins anhebt. Auch das führt aber zur Auflösung von Bankguthaben. Hinzu kommt, dass Gewerbeimmobilien in den USA überwiegend von Regionalbanken finanziert werden. In den letzten Wochen lagen Immobilien bereits hinter Aktien und Unternehmensanleihen, in den USA wie in Europa.

Schweizer Schockwellen

Nicht Fundamentalentwicklungen, sondern die Schweizer Aufsichtsbehörden haben dem Vertrauen in das europäische Bankensystem massiv geschadet. Beobachter hatten schon lange damit gerechnet, dass die Crédit Suisse irgendwann fusionieren oder an eine andere Bank verkauft werden würde. Selbst eine Abwicklung schien denkbar. Für einen echten Schock an den Credit-Märkten sorgte dann aber der Umgang mit ausgewählten Anleihengläubigern. Die Behörden beschlossen, dass beim Verkauf der Bank an die UBS Additional-Tier-1-Anleihen (AT1 Bonds) der Crédit Suisse erst nach Aktien bedient werden. Damit wurde die Kapitalstruktur auf den Kopf gestellt. Die EU-Behörden beeilten sich zu versichern, dass AT1-Anleihen von Banken aus der Europäischen Union im Fall der Fälle einen höheren Rang als Aktien haben würden. Aber da waren die Kurse schon gefallen, und die Crédit-Suisse-Investoren werden mit hohen Verlusten leben müssen. Kurzfristig ist nicht mit einer hohen Nachfrage nach neuen AT1-Anleihen zu rechnen; nach dem Kursverfall sind sie für mögliche Emittenten ein extrem teures Finanzierungsinstrument. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Wenn man der EU-Bankenaufsicht folgt und die Kapitalquoten europäischer Banken für ausreichend hält, kann man sich jetzt mit den Titeln europäischer Qualitätsbanken auf ewig hohe Renditen sichern.

Europa

Mit einem direkten Übergreifen der Crédit-Suisse-Krise ist nicht zu rechnen, und die UBS wird nach der Fusion sehr viel grösser und stärker sein als zuvor. Sie stärkt ihre Position im Schweizer Einlagengeschäft und im internationalen Vermögensmanagement, das längst nicht so riskant ist wie das Investmentbanking. Europäische Banken leiden aber ebenfalls unter steigenden Zinsen, sodass auch in deren Anleihenportfolios nicht realisierte Verluste schlummern könnten. Banken können Zinsrisiken absichern, aber das Bankensystem als Ganzes ist niemals gegen einen Zinsanstieg immun. Schliesslich gehören zu einem Zinsswap immer zwei. Die Kapitalquoten sind zwar hoch, könnten in den nächsten Quartalen aber dennoch unter Druck geraten. Alles in allem scheinen die europäischen Institute aber wesentlich stabiler als die amerikanischen Regionalbanken.

Letzte Zinsschritte

EZB, Fed und Bank of England haben die Zinsen diesen Monat erneut angehoben. Man könnte das als Zeichen werten, dass die Notenbanken keine systemische Bankenkrise befürchten. Am Markt hält man weitere Zinsschritte aber nicht für denkbar. Zurzeit geht man davon aus, dass die Fed die 25 Basispunkte vom Donnerstag bis zur Jahresmitte wieder zurücknimmt, und weitere Zinserhöhungen von EZB und Bank of England, selbst um nur 25 Basispunkte, sind den Terminmärkten zufolge keineswegs sicher. Interessant ist, dass die US-Zweijahresrendite zurzeit um 137 Basispunkte unter der Federal Funds Rate liegt. Seit 1990 betrug der Abstand nur viermal mehr als 100 Basispunkte. Jedes Mal begann die Fed wenig später mit Zinssenkungen.

Anleihen scheinen stabil und versprechen Qualität

Anleiheninvestoren kann kaum etwas Besseres passieren als ein Leitzinsmaximum. Danach hat man mit Anleihen meist verdient. Aber vielleicht machen Sie sich wegen der Probleme der Banken Sorgen um die Kreditqualität? Gut diversifizierte Portfolios haben bei den derzeitigen Einstiegsrenditen bzw. ‑spreads bislang fast immer Erträge erzielt. Man kann jetzt in Qualitätsanleihen von finanzstabilen Unternehmen investieren, die kaum Bankkredite brauchen und einen hohen Zinsdeckungsgrad haben.

Allerdings gibt es Anzeichen dafür, dass Investoren jetzt das Gegenteil tun. Sie ziehen Geld aus Anleihen ab und investieren stattdessen in Geldmarktfonds oder Staatsanleihen. Ich halte das für Panik. Auf diese Weise kann man leicht eine starke Credit-Rallye verpassen, wenn sich die Stimmung dreht – sei es wegen einer erfreulichen Entwicklung oder dank neuer Notenbankmassnahmen. Und das kommt oft schneller, als man denkt.

Risiken bleiben

Wegen der Probleme im Finanzsektor ist eine defensive Positionierung nur zu verständlich. Kurzfristig kann alles noch schlimmer werden. In der derzeitigen Lage scheinen Aktiengewinne kaum vorstellbar. Wegen der Schwächen von Technologie- und Energiewerten – und jetzt auch Banktiteln – fürchten wir schon lange einen weiteren Rückgang der Unternehmensgewinne in den USA. Doch wenn die Anleihenrenditen fallen, steigen die Aktienbewertungen: Zurzeit beträgt der Abstand zwischen der Gewinnrendite der Unternehmen und der US-Zehnjahresrendite 2,2 Prozentpunkte. Legt man die Konsensgewinnerwartungen für 2024 und die erwartete Zehnjahresrendite in einem Jahr zugrunde, beträgt der Abstand 2,82 Prozentpunkte, und für 2025 werden sogar 3,37 Prozentpunkte erwartet. Wenn die Zweifel an der Finanzstabilität Anleihenrenditen und Aktienkurse fallen lassen, sind danach wieder höhere Erträge möglich. Nach dem Ende der derzeitigen Vertrauenskrise dürfte die Performance wieder besser werden. Dann wird man auch wieder für Risiken entschädigt, zumal es sich, anders als 2008 (und auch anders als zu Beginn der Coronazeit befürchtet), diesmal nicht um einen systemischen Schock handelt.

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