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Die Sicht des CIO

Erste Kaufgelegenheiten?

  • 25 März 2022 (7 Minuten Lesezeit)

  • Die Federal Reserve (Fed) hat ihren Straffungszyklus begonnen und Anleihen haben schlechter abgeschnitten als in den vorangegangenen vier Zinszyklen.
  • Es besteht die Chance, dass Anleihen künftig besser abschneiden werden, da die Renditen höher sind und die Historie zeigt, dass sich die Renditen von nun an verbessern sollten.
  • Alles hängt davon ab, wie stark die Straffung durch die Fed ausfällt und das wiederum wird von der Inflationsentwicklung bestimmt.
  • Wir könnten zwar auf noch viel höhere Renditen und weitere hohe Verluste bei festverzinslichen Wertpapieren zusteuern, wir gehen aber davon aus, dass sich die Märkte auf eine Verbesserung der Renditen einstellen, zumindest für eine gewisse Zeit.

Historisch starker Rückgang bei Anleihen

Das erste Quartal 2022 ist fast vorüber. Soweit es die Anleihemärkte betrifft, haben diese sich bereits schlechter entwickelt, als es bei den vergangenen vier Straffungszyklen der Fed der Fall war. Der Rückgang gegenüber dem Höchststand der Total-Return-Anleiheindizes in den sechs Monaten vor der ersten Zinserhöhung war in diesem Zyklus stärker als in den Jahren 1994, 1999, 2004 und 2015. Auch die anfängliche Reaktion auf die erste Zinserhöhung fiel schlechter aus. Die Frage, die sich Anlegern stellt, ist, ob dies zu viel war oder ob noch weitere Verluste bei festverzinslichen Wertpapieren folgen werden.

Wird es noch schlimmer?

Dieser Zyklus unterscheidet sich insofern, als die Inflation (sowohl absolut als auch in Bezug auf die Veränderung der Inflationsrate) höher ist als in den vier vorangegangenen Zyklen und die Ausgangsbasis für die Leitzinsen und die Anleiherenditen niedriger. Wenn also der Fahrplan vorsieht, dass die Zinsen steigen müssen, bis sie der Inflation entsprechen, wird dies einer der schlimmsten Bärenmärkte. Und wenn die kommenden zwölf Monate für den US-Anleihemarkt (stellvertretend für die Anleihemärkte der Industrieländer) so schlimm werden wie das vergangene Jahr, müssen die Renditen der US-Staatsanleihen um weitere 90 bis 100 Basispunkte (Bp) klettern. Das ist nicht auszuschließen, denn die Renditen von Staatsanleihen in den USA und in Europa sind kaum wieder auf dem Niveau, auf dem sie sich vor Beginn der Covid-Pandemie befanden. Der Markt könnte irgendwann darüber hinausgehen. Es ist denkbar, dass die Renditen der zehnjährigen US-Anleihen mindestens auf den Höchststand des vergangenen Jahrzehnts von drei Prozent oder sogar in den Bereich von vier bis fünf Prozent, wo sie vor der globalen Finanzkrise und vor den quantitativen Lockerungen (Quantitative Easing, QE) waren, zurückkehren.

Oder ist mit einer Erleichterung zu rechnen?

Die politischen Entscheidungsträger werden dies nicht zulassen, vor allem nicht, wenn es zu einem Anstieg der Zahlungsausfälle bei Unternehmen oder in Schwellenländern kommt oder zu einer Anspannung bei der Staatsverschuldung führt. Aus Sicht des Marktes könnten sich Kaufgelegenheiten bei Anleihen ergeben, auch wenn mittelfristig mit höheren Renditen zu rechnen ist.

Können wir den Höhepunkt sehen?

In allen drei vorangegangenen Zinserhöhungszyklen erreichten die zehnjährigen Renditen ihren Höhepunkt bei oder knapp über dem Höchststand der Fed Funds Rate. Heute preist der Markt für die Fed Funds Rate einen Höchststand von 2,75 Prozent ein, während die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen aktuell bei 2,36 Prozent liegt. Sollte die Anleiherendite bei 2,75 Prozent ihren Höhepunkt erreichen, würde dies einen weiteren Kursverlust von 2,5 bis drei Prozent bedeuten. Geht man von einem gewissen Carry aus (wenn die Marktrenditen in einem Jahr ihren Höchststand erreichen), dann dürfte der Gesamtrenditeverlust von hier aus nur etwa 0,5 Prozent betragen. Dies beruht auf der heroischen Annahme, dass der Markt den Höchststand der Fed Funds Rate richtig einschätzt und die Marktrenditen einen ähnlichen Verlauf nehmen (d.h. die Kurve ist am Ende des Straffungszyklus völlig flach). Wie in allen früheren Zyklen würden sich Unternehmensanleihen besser entwickeln.

Wie sieht es in Europa aus?

In Europa ist das Bild ähnlich, nur dass der Beginn des Straffungszyklus weiter entfernt ist. Der Abstand zwischen den Renditen zehnjähriger deutscher Bundesanleihen und dem Einlagensatz der Europäischen Zentralbank (EZB) liegt derzeit bei 100 Bp und ist damit so hoch wie seit 2013 nicht mehr. Wenn sich der Einlagensatz im kommenden Jahr auf null oder darüber hinaus bewegt, besteht für die Renditen bei mittleren Laufzeiten eindeutig weiteres Aufwärtspotenzial, selbst wenn die Kurve flacher wird. Die Renditen im Bereich langer Duration dürften jedoch für Investoren in Europa, die an Verpflichtungen gebunden sind, langsam attraktiv werden. Die 30-jährige Rendite des
französischen Staatsanleihenmarktes (OAT) steht kurz vor dem Eintritt in den Bereich, in dem sie sich vor der Covid-Pandemie befand.

Weiche Landung oder Rezession in 2024?

In den 1970er und 1980er Jahren begannen Rezessionen, bevor die Fed die Straffung der Geldpolitik abgeschlossen hatte. Allerdings waren damals die Inflation und die Zinsen viel höher und die Volkswirtschaften weniger flexibel und weniger global. Seit den 1980er Jahren tendieren Rezessionen dazu, einige Zeit nach der letzten Zinserhöhung zu beginnen. Damals dachten die politischen Entscheidungsträger, sie hätten eine weiche Landung erreicht, doch zwischen sechs und 17 Monate später begann eine Rezession. Da eine Rezession bislang noch nicht absehbar ist, wird dies in den Gewinnprognosen nicht berücksichtigt. Aktien haben sich seit der Zinserhöhung durch die Fed am 18. März daher recht gut entwickelt.

Was ist, wenn sich die Dinge ändern?

Wenn die Inflation der dominierende Makrofaktor ist, sollten Anleihen eine signifikant normalisierte Underperformance aufweisen. Die Korrektur des S&P 500 im Verhältnis zu seiner historischen Volatilität ist im Vergleich zu der bei Anleihen beobachteten Volatilität nicht ungewöhnlich (etwa 25 Prozent der Standardabweichung der Sechs-Monats-Renditen bei Aktien im Vergleich zu 80 Prozent bei Anleihen in den vergangenen 40 Jahren). Die Anleiherenditen könnten noch weiter steigen, aber in Bezug auf die Verluste könnte auch hier das Schlimmste bereits überstanden sein. Sollte es zu einer Rezession kommen, könnte sich das Blatt wenden. Dann werden Multi-Asset-Investoren von höheren Anleiherenditen profitieren, da diese eine effektivere Absicherung gegen die Aktienerträge bieten, als es im vergangenen Jahr der Fall war.

Abnehmende marginale Verluste

Das soll nicht heißen, dass die Märkte derzeit ein „Kauf“ sind. Die Aussichten bleiben nach wie vor so unsicher, dass überall höhere Risikoprämien gerechtfertigt sind. Jedoch waren die Verluste bei Anleihen im historischen Vergleich sehr hoch. Festverzinsliche Wertpapiere funktionieren so, dass für jeden weiteren Anstieg der Renditen um zehn Basispunkte gegenüber dem aktuellen Niveau die Gesamtrendite geringer ausfällt als beim Tiefpunkt der Renditen im August letzten Jahres. Dafür sorgen der höhere Carry und die Konvexität.

Es wird billiger

Kurzfristig wird die Inflation hoch bleiben und das wird die Wertentwicklung von inflationsgebundenen Anleihen unterstützen. Die Zinsen haben weiteres Aufwärtspotenzial und somit stellen variabel verzinsliche Schuldtitel ein defensives Element dar, wobei einige aufgrund ihres Kreditprofils auch einen angemessenen Cashflow bieten. Bei risikoreicheren Faktoren – Duration, Unternehmensanleihen, Aktien – ist die Lage noch nicht klar. Wir bewegen uns Richtung Kaufgelegenheiten – wenn auch für kürzere Zeiträume oder sogar längerfristig. Die britische inflationsgebundene Staatsanleihe mit Fälligkeit im Jahr 2073 wird zu einem Preis gehandelt, der 25 Prozent unter ihrem Ausgabepreis liegt. Anleihen mit niedrigem Kurs und hohem Kupon, Hochzinsanleihen mit kurzer Laufzeit und besserer Qualität, Aktien mit Gewinnwachstum und geringer Verschuldung – Das sind die aktuellen Anlagechancen in einem Markt, der allgemein so viel „Wert“ geliefert hat wie schon lange nicht mehr.

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