Londoner Lektionen
- Die britische Regierung wird einen Preis zahlen müssen – und für die Bank of England ist die Lage nicht einfach.
- Das britische Experiment zeigt, dass den Märkten die Geduld fehlt, um auf Konjunkturwunder durch eine Stärkung der Angebotsseite zu warten.
- Wir glauben nicht, dass andere Notenbanken bei Liquiditätsklemmen ebenfalls zum Quantitative Easing zurückkehren. Die EZB wird den geplanten Beginn des Quantitative Tightening aber vielleicht noch einmal verschieben.
Die Bank of England hat der Regierung etwas Luft verschafft, damit sie noch einmal nachdenken kann. Dennoch dürfte die Volatilität hoch bleiben. Am liebsten möchte die Regierung die Ausgaben kürzen, um die angekündigten Steuersenkungen zu finanzieren. Aber der politische Preis wäre hoch. Alternativen wären eine Übergewinnsteuer für Energiekonzerne oder aber eine Kehrtwende bei der Steuerpolitik – aber auch das wäre politisch heikel. Das Risiko ist hoch, dass die Bank of England auch noch nach dem 14. Oktober intervenieren muss. Das wäre ein weiterer Schritt in Richtung Dominanz der Fiskalpolitik. Die Notenbank musste aber handeln, da dem britischen Altersvorsorgemarkt eine systemische Krise drohte. Statt ebenfalls denkbarer Liquiditätshilfen für Pensionsfonds entschied sie sich dann für Anleihenkäufe. Jetzt befindet sich die Bank of England in einer schwierigen Lage: Sie verwischt die Grenzen zwischen Stabilisierung der Finanzmärkte und Geldpolitik.
Wir können aus dem britischen Experiment einiges lernen. Noch immer scheinen es die Märkte hinzunehmen, wenn Ad-hoc-Massnahmen gegen Energiepreisschocks zu höheren Staatsausgaben führen. Bei hohen dauerhaften Steuersenkungen scheinen sie aber weniger nachsichtig. Eine „angebotsorientierte Wirtschaftspolitik“ mit der Hoffnung auf mehr Wachstum wird nicht lange akzeptiert, wenn die Zinsen steigen. In unzähligen Kommentaren hiess es, die Massnahmen der Bank of England seien nur Vorboten dessen, was in anderen G7-Ländern geschehen wird. Wir sind uns da aber noch nicht so sicher. Natürlich kann es bei einem starken Renditeanstieg zu Stabilitätsproblemen kommen. Wer aber eine Neuauflage des Quantitative Easing für die richtige Lösung hält, übersieht den entscheidenden Punkt: den damit verbundenen Zielkonflikt. Reine Liquiditätshilfen könnten daher bevorzugt werden. Dennoch könnte das britische Experiment ein zu frühes Quantitative Tightening verhindern. Die spanische Zentralbank hat die EZB bereits gewarnt, wenn auch aus anderen Gründen. Aus unserer Sicht ist ein Beginn des Quantitative Tightening im Oktober unwahrscheinlicher geworden.
In den USA steht diese Woche der Arbeitsmarktbericht an. Lael Brainard, Vizechefin der Fed, hat schon vor dem Risiko gewarnt, dass die Fed „zu weit geht“ – aber das wird wohl erst später relevant.
Rechtliche Hinweise