Unabhängigkeitstage
- Wir lenken unseren Blick weg vom allgemeinen „Zentralbankfieber“ und wenden uns den langfristigen Auswirkungen der Energieunabhängigkeit der USA zu.
- Neue Erkenntnisse aus dem „britischen Versuchslabor“?
COP27 war eine Enttäuschung. Es gab keine zusätzlichen Zusagen, die Emissionen zu reduzieren. Die Vereinbarung, Schwellenländer auf ihrem Weg zur Netto-Null finanziell zu unterstützen, enthält zwar viele hehre Pläne, war aber nur wenig verbindlich und hängt von einem weiteren Abkommen ab, das aber noch nicht getroffen ist. Das Quasi-Scheitern in Sharm El-Sheikh zeigt, wie müde man des Themas ist, zumal die Regierungen mit den drängenden Problemen des Inflationsschocks und der Energiesicherheit beschäftigt sind. Die Ergebnisse der Zwischenwahlen in den USA bedeuten vermutlich politischen Stillstand bis zum Ende der Amtszeit von Präsident Biden. Sein Inflation Reduction Act, der eigentlich ein „Energiewendegesetz“ ist, könnte sein letzter grosser Wurf gewesen sein.
Das Wiedererstarken der inländischen Öl- und Gasindustrie hat die USA unabhängig von Energieimporten gemacht. Das bedeutet erhebliche wirtschaftliche Vorteile und spielt all jenen in die Hände, die eine Energiewende in den USA ablehnen. Dennoch kann die USA problemlos die Dekarbonisierung vorantreiben. In den USA können enorme Mengen erneuerbarer Energien produziert werden, und während die EU ihre Energiewende finanzieren muss und zugleich aufgrund steigender Energiekosten mit einer erheblichen Verschlechterung der Terms of Trade kämpft, bleiben die USA von einem derartigen externen Schock verschont und können mit ihren hohen Einnahmen aus der Öl- und Gasbranche in den Ausbau der Erneuerbaren investieren. Die Mittel für die Bekämpfung des Klimawandels sind überall knapp, aber in den USA sind sie weniger knapp als in anderen Regionen und Ländern. Die Politik könnte ein Hindernis sein, aber paradoxerweise kann die Energieunabhängigkeit der USA zugleich die Dekarbonisierung voranbringen. Über das „Ob“ wird vermutlich gestritten, das „Wie“ ist dagegen kein Problem.
Ausserdem befassen wir uns mit dem „neuen alten“ Haushaltsplan in Grossbritannien. Zwar ist er für die Regierung nach der nächsten Wahl nicht bindend, aber mit ihm wird ein Massstab gesetzt, sodass Labour nicht allzu weit von einem fiskalpolitisch vernünftigen Weg abweichen kann. Die britische politische Konstellation, also die Rückkehr zu einer klassischen Auseinandersetzung zwischen Mitte-rechts und Mitte-links, die der politischen Kontinuität förderlich sein kann, ist in Europa allerdings immer seltener. Hier sind die populistischen Parteien nach wie vor auf dem Vormarsch. Das macht es schwierig, jegliche politische Lehren, die wir aus dem „britischen Versuchslabor“ möglicherweise ziehen könnten, umzusetzen.
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