Biodiversität: Genauso wichtig wie CO2-Emissionen

  • 18 Juli 2022 (5 Minuten Lesezeit)

Für Treuhänder, die auf die ESG-Folgen ihrer Portfolios achten, sind die Treibhausgasemissionen besonders wichtig. Natürlich ist das sinnvoll: Die Verringerung der CO2-Emissionen ist weltweit eine der größten Herausforderungen, wenn unser Planet auch weiterhin bewohnbar bleiben soll. Aber wie wird unsere Welt aussehen, wenn wir es schaffen, eine Klimakatastrophe abzuwenden – angenommen, sie ist dann tatsächlich noch bewohnbar? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir einschätzen, wie viel Aufmerksamkeit der Bekämpfung des drohenden Artensterbens in den nächsten Jahren geschenkt wird. Artensterben ist eine ebenso große Bedrohung wie Treibhausgasemissionen, und aus unserer Sicht sollte das Thema bei Anlagen in börsennotierte Aktien zu den wichtigsten Faktoren zählen. 

Wie die Biodiversität den Planeten schützt

Man kann die CO2-Emissionen durchaus als das unmittelbarere und drängendere Problem betrachten, aber es steht in enger Verbindung zum Verlust der Biodiversität. Schließlich sterben 33% aller Arten infolge des Klimawandels aus. Um das zu ändern, müssen beide Herausforderungen zugleich angegangen werden. Der Klimawandel steht schon immer im Zentrum der Aufmerksamkeit, weil viel über ihn berichtet wird. Jetzt bekommen ihn die Menschen zu spüren. Extreme Wetterereignisse wie Fluten oder Waldbrände beeinflussen ihr tägliches Leben.

Gebiete ohne natürlichen Schutz können anfälliger für Waldbrände sein, die in den letzten Jahren besorgniserregend häufig aufgetreten sind. Meere, die intensiv befischt werden, können zwangsweise zu Monokulturen degenerieren, die Artensterben verursachen. Hinzu kommen weitere wichtige Gefahren wie Plastikmüll. Die Abholzung von Wäldern für die landwirtschaftliche Nutzung wie dem Anbau von Soja und Mais kann die Lebensräume für Tiere und Pflanzen verändern. Arten können aussterben, und möglicherweise gelangen mehr Treibhausgase in die Atmosphäre.  Die Minderung dieser drei Risiken ist entscheidend für den Erhalt unseres Planeten und unserer Gesellschaft und zugleich eine Investmentchance für Investoren mit einem langfristigen Anlagehorizont.

Die Folgen des Artensterbens für die Weltwirtschaft

Ohne Natur keine Wirtschaft. Der Verlust der Biodiversität ist ein systemisches Risiko, das die Stabilität der Weltwirtschaft und zahlreicher Unternehmen gefährdet. Die mit der Zerstörung von Ökosystemen verbundenen Kosten der Weltwirtschaft werden derzeit auf über 5 Billionen US-Dollar jährlich geschätzt. Unternehmen nutzen natürliche Ressourcen als Rohstoffe. Wenn also unsere Ökosysteme und unsere Biodiversität zerstört werden, steigen und schwanken die Rohstoffpreise. Hinzu kommen Störungen in der Produktion und Lieferengpässe. Der Verzehr natürlicher Ressourcen, Umweltverschmutzung und Veränderungen der Ökosysteme an Land und im Meer sind die wichtigsten Faktoren dieser wirtschaftlichen Unternehmensrisiken.

Auch für die Gesellschaft birgt die Zerstörung der Biodiversität Risiken, beispielsweise für den Zugang zu Wasser und Nahrungsmitteln sowie zu Hygiene und sanitären Einrichtungen. Hinzu kommen Sicherheitsrisiken und Auswanderungswellen. Außerdem könnten sich durch den Verzehr natürlicher Ressourcen soziale Probleme verschärfen: Verstöße gegen die Menschenrechte, schlechte Arbeitsbedingungen, verantwortungsloser Konsum und noch mehr soziale Ungerechtigkeit.

Die Zerstörung von Ökosystemen ist eine große Herausforderung, und der Verlust der biologischen Vielfalt ein drängendes Problem für alle Regierungen weltweit. Die Bekämpfung des Artensterbens steht noch ganz am Anfang. Auf der UN Biodiversity Conference (COP 15), die noch dieses Jahr in Kanada stattfinden wird, sollen Rahmenrichtlinien für den Schutz und die Wiederherstellung der Biodiversität auf unserem Planeten entwickelt werden. Der bereits vorliegende Entwurf enthält kurz- und langfristige Ziele, darunter die Selbstverpflichtung, mindestens 30% der Land- und Meeresfläche der Erde bis 2030 unter Schutz zu stellen, sowie Wiederherstellung, Stabilisierung und Erhalt der biologischen Vielfalt bis 2050. Die im Pariser Abkommen formulierten Ziele könnten ein Vorbild sein, aber es stellt sich die Frage, ob die Bereitschaft weltweit ausreichend groß und die Ziele ambitioniert genug sind.

Der Verlust der biologischen Vielfalt ist heute an dem Punkt angelangt, an dem der Klimawandel vor 10–15 Jahren stand – sowohl in puncto öffentlichem Bewusstsein als auch den Druck zum Handeln für Unternehmen betreffend. Zurzeit gewinnt das Thema Biodiversität an Aufmerksamkeit, und viele Unternehmen weltweit versuchen die Flut von Problemen zu lösen, die vom Verlust der Artenvielfalt ausgehen. Jetzt können sowohl Investoren als Vertreter des Kapitals als auch Treuhänder, die deren Kapitalanlagen steuern, viel dazu beitragen, die Zerstörung der Biodiversität zu mindern. Eine Möglichkeit dazu sind Anlagen in Unternehmen, die Technologien und Lösungen bieten, die man braucht, um den Verlust der Artenvielfalt aufzuhalten und die Ökosysteme wiederherzustellen.

Warum sollten sich Treuhänder über das Artensterben Gedanken machen?

Durch das steigende Bewusstsein für ESG-Themen sowohl bei Treuhändern als auch bei Investoren richtet sich der Fokus glücklicherweise zunehmend darauf, wie Fonds und Pensionspläne Verbesserungen erzielen können, nicht nur für die Vermögenseigentümer, sondern auch für den Planeten und die Gesellschaft.

Nachdem sich das Department for Work and Pensions (DWP) zu den Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) bekannt hat, wird es auch neue Regulierungen wie die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) einhalten, die ein explizites Ziel zu den Folgen von Pensionsplänen und Unternehmen für die Biodiversität enthält. Pensionspläne und Treuhänder sollten natürlich weiterhin vor allem darauf hinarbeiten, dass ihre Mitglieder angemessene Pensionsrückstellungen bilden können. Zusätzlich können sie auch der Umwelt nutzen sowie die Ökosysteme unseres Planeten und die natürlichen Ressourcen schützen.

Die Investmentchance und ihre Faktoren

Der enorme Verlust der biologischen Vielfalt kostet die Weltwirtschaft zurzeit jedes Jahr 10% ihrer Leistung. Nach aktuellen Schätzungen müssen wir bis 2050 8,1 Billionen US-Dollar investieren, um die Natur zu schützen und wiederherzustellen. Hier bietet sich also eine enorme Investmentchance.

Die Auswirkungen des Verlusts der Artenvielfalt für Mensch und Wirtschaft wie die Ausbreitung von Krankheiten, die negativen Folgen für die Nahrungsmittelproduktion und Arzneimittel, der nachlassende Tourismus und fehlende Erholungsgebiete – um nur einige zu nennen – schaden Unternehmen allmählich auch finanziell. Deshalb beginnen sie jetzt damit, sie zu messen.

Auch die Verbraucher werden sich der Folgen des Verlusts der Artenvielfalt immer bewusster. Die Konsummuster verändern sich. Immer mehr Menschen kaufen lieber Marken mit einem aus ihrer Sicht besseren Umgang mit Umweltthemen. Dies wiederum wird Konsumgüteranbieter veranlassen zu investieren und ihre Folgen für die biologische Vielfalt zu mindern. Außerdem besteht ein klarer finanzieller Anreiz für Unternehmen, die zu Innovationen und zur Entwicklung von Technologien fähig sind, die natürliche Ressourcen schützen können.

Je mehr die Zerstörung von Ökosystemen das Wirtschaftswachstum belastet, desto wahrscheinlicher werden Regierungen Gesetze erlassen, die Gegenmaßnahmen beschleunigen und Mindeststandards für Unternehmen und ihre Lieferketten setzen.

Schon heute nehmen sich zahlreiche Unternehmen der größten globalen Herausforderungen für die Biodiversität an. Sie helfen mit ihren Produkten oder Leistungen, den Verlust der Artenvielfalt zu bremsen oder die Ökosysteme wiederherzustellen.

Eines dieser Unternehmen ist John Deere. Es versucht der Bodendegradation und dem Aussterben von Tierarten, beispielsweise bestimmter Insekten, und Pflanzen entgegenzuwirken, die auf eine intensive landwirtschaftliche Nutzung zurückzuführen sind. Als führendes Unternehmen im Bereich der Präzisionslandwirtschaft kann John Deere intelligente Kamerasensoren auf Traktoren anbringen, um Landwirten zu helfen, Vernichtungsmittel gezielt auf bestimmte Unkräuter aufzubringen und nicht auf dem gesamten Feld. Dadurch gerät nur sehr wenig Chemie in den Wasserkreislauf oder in die Erde, sodass die Bewirtschaftung eines Feldes der Biodiversität weniger schadet – manchmal sogar erheblich weniger.

Das Unternehmen schätzt, dass einige seiner Technologien den Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln um etwa 85% verringern können. Auch aufgrund dieser Effizienz war John Deere in den letzten Quartalen komplett ausverkauft.

Ball Corporation geht das Problem des Plastikmülls an. Das Unternehmen produziert Aluminiumverpackungen, beispielsweise Getränkedosen. Durch den Ersatz von Plastik, das nicht immer recycelt werden kann, durch vollständig recyclingfähiges Aluminium trägt Ball Corporation zur Verringerung der Plastikmengen bei, die in die Meere gelangen oder auf Mülldeponien verbrannt werden. Mit dem Ziel der vollständigen Recyclingfähigkeit seiner Produkte hat das Unternehmen eine Aluminiumdose entwickelt, die häufiger befüllt werden kann und die nach Analysen von Wettbewerberprodukten aus Brasilien, Europa und den USA einen kleineren CO2-Fußabdruck hat als Glas- oder PET-Flaschen für kohlesäurehaltige Getränke.

Der Verlust der Biodiversität ist schon heute eine echte Bedrohung für den Planeten und unsere Gesellschaft. Wenn wir die Welt vom CO2 befreien wollen, muss sie gestoppt werden. Mit dem Kampf gegen den Klimawandel allein ist es nicht getan. Sowohl Treuhänder als auch Investoren können dazu beitragen, den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten und zugleich mit ihren Pensionsplänen die finanziellen Ziele ihrer Mitglieder erreichen.

Die genannten Unternehmen dienen nur zur Illustration (Stand 15. Juli 2022) und sind danach möglicherweise nicht mehr im Portfolio enthalten. Dieses Dokument ist kein Investmentresearch und keine Finanzanalyse im Zusammenhang mit Transaktionen von Finanzinstrumenten. Es ist auch kein Angebot, irgendeine Anlage oder ein Produkt zu kaufen oder eine Leistung in Anspruch zu nehmen. Auch darf es nicht als Aufforderung oder Anlage-, Rechts- oder Steuerberatung, als Empfehlung für eine Anlagestrategie oder als individuelle Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren betrachtet werden.

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