Noch ein magischer Geldbaum, der eingeht
- Wir untersuchen, wie wahrscheinlich es ist, dass Russland den Gashahn nach den „Wartungsarbeiten“ nicht wieder aufdreht.
- Die aktuellen Arbeitsmarktdaten unterstützen die Falken der Fed.
- Dass Inflation gut für die Staatsfinanzen ist, ist kein Naturgesetz. Jedenfalls ist die Inflation in Europa zurzeit kein „guter Preisschock“.
Heute beginnen die „Wartungsarbeiten“ an Nord Stream 1, für die der Transport russischen Gases nach Europa zehn Tage lang unterbrochen wird. Dabei stellt sich die Frage, ob Russland seinen Gashahn möglicherweise länger zu lässt. Dies könnte den Euroraum in eine Rezession treiben. Ob es tatsächlich dazu kommt, hängt vor allem davon ab, ob sich andere europäische Länder solidarisch zeigen und Deutschland und Italien unterstützen werden. Zurzeit besteht die „Solidarität“ in der EU aus mehreren bilateralen Vereinbarungen, die in diesem Fall nicht ausreichen würden. Für einen stärkeren Mechanismus wären vermutlich komplizierte „Gibst Du mir, gebe ich Dir“-Verhandlungen zwischen allen Mitgliedstaaten notwendig, wobei Frankreich und die Peripherieländer anführen würden, dass der natürliche Nebeneffekt einer solch umfassenden Energie-Solidarität zugunsten Deutschlands ein weiterer Schritt in Richtung Schuldenvergemeinschaftung wäre – die zweite Stufe der NGEU, die bislang eine Illusion ist. Einfach wären diese Diskussionen nicht.
In jedem Fall treibt der „Gas-Stress“ die Preise weiter in die Höhe, was einen allmählichen Inflationsrückgang durch Basiseffekte gefährdet. In den USA dürfte die hartnäckige Inflation vermutlich eher auf die fehlende Reaktion des Arbeitsmarktes auf die schwächere Konjunktur zurückzuführen sein. So gesehen unterstützen die unerwartet vielen neu geschaffenen Stellen im Juni, die letzte Woche veröffentlicht wurden, die Argumente jener Mitglieder des Offenmarktausschusses, die für eine weitere Leitzinsanhebung um 75 Basispunkte plädieren.
Der einzige Vorteil einer hohen Inflation ist, dass sie für einen Rückgang der Haushaltsdefizite und Staatsschulden sorgt – wenn die Realzinsen nicht zu stark reagieren. Aber das ist kein Naturgesetz. In Anlehnung an die jüngste Veröffentlichung von Agnès Bénassy-Quéré unterscheiden wir zwei Fälle. Erstens, wenn eine Volkswirtschaft überhitzt und der BIP-Deflator parallel mit den Verbraucherpreisen steigt – in den USA ist es derzeit fast so. Zweitens, wenn ein exogener Schock das Geschehen bestimmt und die Verbraucherpreise sehr viel stärker steigen als der BIP-Deflator, was zurzeit in Europa der Fall ist. Im zweiten Szenario ist es erheblich schwieriger, die Staatsschulden wieder unter Kontrolle zu bringen. Die derzeitige Verringerung der Staatsschulden durch den Preisschock ist gerechtfertigt, hat aber ihren Preis. Ihr werden schmerzvolle Entscheidungen folgen müssen.
Rechtliche Hinweise